Vom Angst haben...

Wed, 10 Jun 2020 10:03:03 +0000 von Marietta Meffert

Angst – ganz konkret oder eher als unbestimmtes Gefühl – wir kennen sie alle! Angst vor der nächsten Klassenarbeit oder Prüfung, Angst vorm Zahnarzt, Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle, Höhenangst. Manche haben auch Angst vor zu hoher Geschwindigkeit. Ich ertappe mich selbst dabei, als Beifahrer bei 150 km die Hand um den Haltegriff zu legen. Als meine Kinder klein waren, hatten sie manchmal Angst vor dem Alleinsein im Dunkeln. Ein Nachtlicht musste her. Oder die Angst vor dem „Nichtbeliebtsein“, der fehlenden Anerkennung, eine eher pauschale Angst vor der Zukunft, davor, dass das Geld nicht reicht, vor Krieg, vor Naturkatastrophen, Angst vor dem Verlassen werden,  Angst vor Corona… und dann ist da auch noch die Angst vor dem Sterben, vor dem Tod. 
 
Wir alle kennen Angst! Und Jesus auch! Gethsemane, die Nacht der Angst. Eigentlich gehört diese Geschichte in die Passionszeit.  Für mich ist diese Geschichte von Jesus und seinen Jüngern im Garten  mitten in der Nacht aber eine der Geschichten in der Bibel, die mich am meisten berührt und das eben nicht nur in der Passionszeit. Warum? Weil Jesus mir hier auf der Gefühlsebene so nah kommt wie kaum an einer anderen Stelle. Hier wird Jesus so menschlich und dadurch ganz greifbar für mich. Ich möchte ihn trösten, ihn in den Arm nehmen. Und die Jünger würde ich am liebsten anschreien: Warum? Warum könnt ihr dieses eine Mal nicht einfach wach bleiben? Warum könnt ihr in dieser schrecklichen Nacht nicht für ihn da sein, diese eine Nacht nicht gemeinsam mit ihm durchstehen?
 
Es gab eine Zeit, da hatte ich nachts Alpträume, die mich schreiend haben aufwachen lassen. Wissen Sie, wann das aufgehört hat? Als mich mein Mann nachts in den Arm genommen hat, einfach da war. Der Traum kam nie wieder! 
 
Konntet ihr Jünger Jesus nicht einfach in den Arm nehmen in dieser Nacht, ihm beistehen? Er hat euch doch darum gebeten, wach zu bleiben. Er hätte euch so sehr gebraucht. Und ihr schlaft einfach ein!
 
Ich frage mich an dieser Stelle, wäre ich wach geblieben? Wie oft schlafe ich ein, wenn andere mich brauchen, wie oft mache ich einfach die Augen zu…weil ich müde bin, weil mir alles zu viel wird. 
 
War es den Jüngern vielleicht auch einfach alles zu viel? Kurz vorher hat Jesus ihnen gesagt, dass er leiden und sterben werde. Waren die Jünger vielleicht nur fix und fertig vor lauter Sorge, Angst und Trauer um Jesus? Angst lähmt, macht müde. Ich bin mir sicher, sie wollten nicht einschlafen, sie wollten wach bleiben, aber es war einfach alles zu viel. Mir ist auch manchmal alles zu viel. Ich mache die Augen zu, schlafe ein. Menschlich verständlich und nachvollziehbar, dass die Jünger einschlafen…dass wir einschlafen. Und dennoch bleibt: Jesus ist in dieser Nacht allein, so richtig allein – allein mit einer riesen Last. Er wusste genau, was ihm bevorstand, er kannte den Willen seines Vaters, er wusste um seinen Tod am Kreuz. Jesus hatte sicher Angst –Angst vor dem Tod, wie so viele von uns. Er fleht seinen Vater an: „Mein Vater, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!“ In dieser Nacht steht alles auf der Kippe. Bis hierher hat Jesus immer genau gewusst, was zu tun war, er hatte immer die richtigen Worte parat, er war von Gott erfüllt und handelte nach Gottes Willen, immer! Aber in dieser Nacht? Was wird siegen: Jesu Angst vor dem Tod am Kreuz oder sein Vertrauen in seinen Vater? Ich hätte es verstanden, wenn er weggelaufen wäre, sich versteckt hätte vor den Soldaten. Wie oft laufen wir weg vor unseren Herausforderungen – selbst dann, wenn es nicht um Tod oder Leben geht. 
 
Nicht wie ich will - wie du willst! Dein Wille geschehe! Wow! Ich weiß nicht, ob ich das in dieser Situation sagen kann. Wie du willst! Jesus bleibt seinem Vater treu – er setzt sein Vertrauen zu Gott über alles andere und sei es noch so absurd und schrecklich in unseren menschlichen Augen. Jesus findet nach allem Ringen in dieser Nacht von „lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ bis hin zum „wie du willst“ – eben kein heldenhaftes „Da-steh-ich-drüber-schließlich-bin-ich-Jesus- Getue" – nach all dem Ringen findet er Frieden bei seinem Vater. 
 
In der Stille des Garten Gethsemane finde auch ich mich immer wieder, wenn mich meine Ängste bedrängen, wenn sich Schweres auf mich legt. Wie und wo finde ich Frieden?  In Jesus – er weiß, was Angst bedeutet. Es gibt keine Angst auf der Welt, vor der er sich wegdrehen würde. Darauf kann ich mich verlassen. Mit Jesus zusammen kann ich meine Angst aushalten, selbst dann, wenn ich meine Angst keinem Menschen zeigen kann.  Er geht mit mir dadurch, auch wenn es um Leben und Tod geht. Er nimmt mich in den Arm. Ich muss es nur zulassen! 
 
Gebet:
 
Vater im Himmel,
vor dir können wir zur Ruhe kommen.
Heute legen wir besonders unsere Ängste, unsere Einsamkeit und Traurigkeit vor dich.
 
Geborgen ist mein Leben in Gott. Er hält mich in seinen Händen.
 
Manchmal habe ich Angst. Ich bin ganz allein. Wer ist da, der mich tröstet?
Manchmal bin ich sehr traurig. Oft weiß ich nicht warum. Wer ist da, der mich in den Arm nimmt?
 
Geborgen ist mein Leben in Gott. Er hält mich in seinen Händen.
 
Manchmal habe ich das Gefühl, dass niemand mich leiden mag. Oft mag ich mich selbst nicht. Wer ist da, der mich verstehen will?
Manchmal bin ich feige. Ich traue mich nicht, den Mund aufzumachen. Ich habe nicht den Mut, das Rechte zu tun. Wer ist da, der mir hilft?
 
Geborgen ist mein Leben in Gott. Er hält mich in seinen Händen.
 
Manchmal habe ich Angst vor dem Sterben. Wer ist da, der mich in dieser Angst begleitet? ER ist für mich da! Weil ER mich liebt. 
 
Geborgen ist mein Leben in Gott. Er hält mich in seinen Händen. Amen.
Quelle: Marietta Meffert, privat
eigene Interpretation des Bildes "Der Schrei" von Edvard Munch, 1893
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